wichtige Artikel, die in der Nordwest-Zeitung erschienen sind
Artikel vom 26.08.2014 - Lesen Sie den Originalartikel nach unter: NWZonline (Quelle: Nordwest-Zeitung, Oldenburg)
Mit Bomben zum Angriff auf London
Luftschiffhafen in Ahlhorn – Ehemaliger Wachoffizier Dr. Hans Gebauer erinnert sich
Von Ahlhorn aus wurden Luftangriffe auf London geflogen. L 31 wurde dabei abgeschossen.
von Dirk Faß
Ahlhorn -
Am 1. Oktober 1916 trägt Kapitänleutnant Mangelsdorff in das Kriegstagebuch des Marine
Luftschiff-Trupp auf dem Luftschiffhafen in Ahlhorn unter der Rubrik
Vorkommnisse ein: "Die Luftschiffe L30 um 2.10 Uhr und L31 um 2.25 Uhr
aufgestiegen". Was aus dem Kriegstagebuch nicht hervorgeht: Die Fahrt
ging über die Nordsee zum Bombenabwurf über London, dabei kehrte das
Luftschiff L 31 nicht zurück.
Über diese verhängnisvolle Fahrt berichtet später Dr. Hans Gebauer im Buch von Fritz Stahlmann
„Zwei deutsche Luftschiffhäfen des Weltkrieges Ahlhorn und
Wildeshausen“. Gebauer hatte damals als Wachoffizier auf der L 30 den
Absturz miterlebt und schildert, wie am 16. März 1917 die Luftschiffe L
40, L 41, L 35 und L 39 zur Fernuntersuchung aufstiegen und sich auf
London bewegten:
"Wir stehen auf 5200 m, der Uhrzeiger geht auf 2 Uhr
nachts. Dicht vor uns muss schon London liegen. Im weiten Bogen nach
Westen ausholend steuern wir die Stadt vor dem Winde an. Still wird’s
jetzt in der Führergondel. Ab und zu huscht eine fast ganz abgeblendete
Taschenlampe über die Karte oder die Instrumente. Der Wachoffizier ist
über das Zielfernrohr gebeugt, stellt die Geschwindigkeit des Schiffes
fest und probt die elektrischen Leitungen des Bombenabwurfs durch. Noch
hängen die Bomben gesichert im Schiff.
Wohl alle denken an den letzten Angriff auf London mit dem
alten kleinen Schiff. Würde wieder die Abwehr so gewaltig einsetzen? -
Damals hatten wir mit mehreren Luftschiffen zusammen über der Stadt
gestanden, grell beleuchtet von ganzen Scheinwerferbündeln, beschossen
von allen erdenklichen Kalibern, deren Mündungsfeuer wir deutlich hatten
aufblitzen sehen. Leuchtkugeln, offenbar von Fliegern geschossen, waren
unter und über uns aufgetaucht, und das Krachen und Aufblitzen der von
den zahlreichen Luftschiffen abgeworfenen Bomben hatte sich schaurig mit
dem Abwehrfeuer vermischt, bis alle diese Lichter in einem gewaltigen
glutroten Feuerschein erstarben und für Sekunden die Abwehr verstummt
war. - Eines unserer Luftschiffe war getroffen worden und war, einer
gewaltigen Fackel gleichend und uns unheimlich beleuchtend, in Flammen
gehüllt in die Tiefe gestürzt. - Bei den nächsten Angriffen war es über
London nicht anders gewesen. Jedes Mal war eines unserer Schiffe in
Flammen aufgegangen. Bis Mittelengland hin hatten wir bei unserem
letzten Angriff den Feuerschein des brennend abstürzenden L 31
gesehen, mit dem die aus Ahlhorn ausgefahrene Besatzung Mathy den Tod
fand."
Der Pilot des Jagdfliegers, Leutnant W. J. Tempest, der L 31 in Brand schoss, erinnerte sich wie folgt:
"Während ich feuerte, bemerkte ich, wie das Luftschiff
innen rot erglühte wie ein riesenhafter Lampion, und dann schoss eine
Flamme aus dem Vorderteil und bestätigte mir, dass es in Brand gesetzt
war. Das Luftschiff schoss etwa 60 Meter hoch, stand still und kam
stehend auf mich zu, bevor ich Zeit hatte, aus dem Wege zu gehen. Ich
machte einen Sturzflug, während das Luftschiff hinter mir herschoss, und
ich erwartete jede Minute, in Flammen eingehüllt zu sein. Jetzt machte
ich Spiralflug, als das Luftschiff fauchend wie ein Hochofen hinter mir
vorbeischoss."
Mangelsdorff schrieb am 2. Oktober 1916 ins Kriegstagebuch
unter der Rubrik Wetter: Bedeckt, Dunst, Wind aus W.S.W. und unter der
Rubrik Vorkommnisse: L 30 gelandet und in Halle 1 untergebracht. L 31
nicht zurückgekehrt, sondern bei London in Brand geschossen und
abgestürzt.
Die LZ 72 (L31) hatte ihre erste Fahrt am 12. Juli 1916.
Standort des Schiffes war zunächst Nordholz, von wo es unter der Führung
von Kapitänleutnant Mathy am 7. August 1916 nach Ahlhorn überführt
wurde. Mathy sollte hier neuer Platzkommandant werden. LZ 72 (L 31)
leistete Aufklärungsdienste. Das Schiff fuhr sechs Angriffe gegen
England. Am 1./2. Oktober 1916, nach Abwurf seiner Bomben über London, wurde es von einem
englischen Flugzeug in Brand geschossen. Es gab keine Überlebenden. Die
Führung hatte Kapitänleutnant Mathy. Das Schiff fuhr eine Aufklärung und
sechs Angriffe mit 19411 kg Bomben.
Die Angriffe brachten viel Elend über London. Douglas H. Robinson schrieb 1980: … dass Kapitänleutnant Heinrich Mathy
bei einem Angriff auf London quer über die City gefahren ist und
wahllos seine Bombenlast fallen ließ, das meiste davon auf ein Wohngebiet.
Dirk Faß ist Gemeindearchivar von Großenkneten.
zuletzt geändert am 30.8.14