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Artikel vom 1.6.2011 - Lesen Sie den Originalartikel online (Quelle: Wildeshauser Zeitung, Wildeshausen)
Ein metallenes Stück Erinnerung
Flugzeugabsturz im Zweiten Weltkrieg / Hermann Wilke übergibt Angehörigen die Erkennungsmarke
Foto: An der Unglücksstelle fand Hermann Wilke noch jede Menge Trümmerteile des Flugzeugs.
Ahlhorn - Von Jan SchmidtEs ist der 13. Januar
1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Schutz der Dunkelheit startet auf
dem Flugplatz in Ahlhorn eine zweimotorige JU 52-Nachtjägermaschine der
Wehrmacht. Die Besatzung soll alliierte Bomber vom Himmel holen – doch schon
nach wenigen Kilometern verliert der deutsche Flieger selber an Höhe. Zuerst
fallen die Bordinstrumente aus, dann die Motoren. Sekunden später kracht das
Flugzeug in die Baumkronen des Fahrenkamper Waldes. Alle vier Insassen
sterben.
66 Jahre nach dem Absturz deutet Hermann Wilke auf einen von
Moos bedeckten Baumstumpf. „Genau an dieser Stelle hat man die Männer gefunden“,
sagt er mit gedämpfter Stimme. Neben ihm stehen Hannelore Schäfer, Helma
Hülpüsch und Peter Schneider. Sie sind die Kinder von einem der verunglückten
Soldaten.
Als der 22-jährige Helmut Schneider bei dem Absturz ums Leben
kam, war seine älteste Tochter Hannelore zwei Jahre alt, sein Sohn Peter gerade
mal ein Jahr und die jüngste Tochter Helma befand sich noch im Bauch ihrer
Mutter.
Heute stehen die erwachsenen Geschwister an der Absturzstelle,
um das letzte Andenken an ihren Vater in Empfang zu nehmen. „Dies ist sie“, sagt
Hermann Wilke und holt eine kleine, etwas verblichene, aber dennoch sehr gut
erhaltene Erkennungsmarke aus der Tasche. „51618/131“ – die in das Edelmetall
eingravierte Nummer ist noch deutlich zu erkennen.
Dass Hermann Wilke die Marke im Wald entdeckte, grenzt nach
Expertenmeinungen schon fast an ein Wunder. Sofort machte sich der 58-Jährige
auf die Suche nach den Angehörigen.
Dafür schickte er zunächst die Erkennungsmarke nach Kassel zum
Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VdK), wo die Nummer einem gewissen
Fritz Kessler zugeordnet wurde. „Fritz Kessler hat es tatsächlich gegeben. Auch
er ist damals mit einem Flieger abgestürzt. Allerdings schon am 20. Oktober 1943
und auch nicht in dieser Gegend“, berichtet Wilke von seinen
Nachforschungen.
In der Nacht des 13. Januars 1945 seien im Bereich
Ahlhorn-Wildeshausen genau zwei Flugzeugabstürze notiert worden. Die Insassen,
jeweils vier pro Maschine, wurden alle in Ahlhorn beerdigt und sind in
Kirchenbüchern namentlich erwähnt. Auch, weil Fritz Kessler in den Unterlagen
nicht auftauchte, schickte Wilkens die Marke noch einmal weiter nach Berlin zur
Dienststelle für die Benachrichtigung der Angehörigen von gefallenen
Wehrmachtssoldaten. Tatsächlich stellte sich heraus, dass die gleiche
Erkennungsnummer an zwei verschiedene Soldaten vergeben worden war. „Das hat es
in Deutschland keine zehn Mal gegeben“, betont Wilke.
Als Eigentümer kam neben Fritz Kessler demnach nur noch eine
weitere Person infrage. Ermittlungen in Berlin und ein Blick in die Ahlhorner
Kirchenbücher ließen schließlich keinen Zweifel mehr zu: Die Erkennungsmarke
gehört Helmut Schneider, geboren am 27. August 1922 in Hammwerth im
Westerwald.
Wilke forschte weiter und fand heraus, dass der Ort im Laufe
der Zeit umbenannt worden war in Mudenbach. Spontan griff er zum Telefonhörer
und fragte im Pfarrbüro der Gemeinde, ob der Name Helmut Schneider in den
Archiven vermerkt sei. „30 Minuten später rief mich eine Mitarbeiterin des
Pfarrbüros zurück, eine Frau Schäfer“, erzählt Wilke. „Sie sagte mir, dass sie
eine geborene Schneider sei. „Mein Vater ist damals an dieser Stelle
abgestürzt“, habe sie nur noch hinzugefügt.
Sofort war Hannelore Schäfer vom Vorschlag begeistert, mit
ihren Geschwistern nach Ahlhorn zu kommen und dort die Absturzstelle zu
begutachten. Bei dieser Gelegenheit sollte dann auch die Marke übergeben werden.
Einige Monate später wurde die Reise dann tatsächlich realisiert. Die Schneiders
buchten ein Hotel in Ahlhorn und trafen sich morgens mit Hermann Wilke in dem
Waldstück.
„Es ist schön, wenn man sieht, dass sich jemand so viel Arbeit
gemacht hat, nur damit wir dieses Andenken an unseren Vater noch bekommen
können“, sagte Hannelore Schäfer und verlangte Wilkens unwillkürlich ein
verlegenes Lächeln ab. Gemeinsam schritten die Geschwister noch einmal über den
Waldboden.
An dieser Stelle, kaum ein paar hundert Meter von der
Gaststätte „Schnitgers Höhe“ entfernt, sammelte Wilke noch etliche Überreste der
JU 52-Maschine ein. Offenbar wurde der Tankanzeiger des Flugzeugs von den
eigenen Kameraden sabotiert. „Die wollten, dass der Krieg endlich vorbei ist“,
vermutet der 58-Jährige.
Ihren Aufenthalt nutzten die Schneiders noch für einen
Abstecher zum Flugplatz Ahlhorn; jenen Ort, an dem ihr Vater zum letzten Mal in
die Luft gestartet war. Das Grab auf dem Ehrenfriedhof in Ahlhorn hatten die
Geschwister zuvor schon einmal besucht. Dieses Mal konnten sie von ihrer Reise
etwas mit nach Hause bringen: ein kleines Stück Erinnerung aus Edelmetall.